„Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Die Gruppe derer, die damals Christen waren, also zu Jesus gehörten, Kirche bildeten - Lukas schreibt sein Evangelium zwischen 80 und 90 nach Christus - diese Gruppe war sehr klein, ohne Macht und Einfluss, angefochten, heftigst kritisiert. Lukas erinnert sie an Worte von Jesus, die Mut machen wollen. Sie sollen keine Angst haben, weil Gott „beschlossen hat, ihnen sein Reich zu geben“, d.h. mitten in ihrem Leben für sie da zu sein. Ihr könnt dem Leben trauen, weil Gott es mit euch lebt. Er ist da, wie er im brennenden Dornbusch zu Mose sagte: „Ich bin der Ich-bin-da“.
Immer mehr stellt sich heraus, dass wir als Christen hier in Europa, hier in Österreich, hier in der Großfeldsiedlung zu der „kleinen Herde“ gehören. Jahrhunderte lang war die Kirche groß und mächtig. Sie hatte großen Einfluss auf das öffentliche Leben, auf Politik, Kultur und Gesellschaft. Es war vorteilhaft zu ihr zu gehören. Sie war eine triumphalistische Kirche. Das hat sich geändert. Sie wird bescheidener. Ist es heute noch vorteilhaft, zur Kirche zu gehören? Eher das Gegenteil: Man wird oft als rückständig betrachtet. Wo braucht man heute noch diese Kirche, außer als „Verschönerungskulisse“ für bestimmte Familienfeiern, wie z.B. eine Taufe, eine Hochzeit, ein Begräbnis (obwohl das auch schon stark abgenommen hat). Mehr noch: Wo braucht man noch Gott? Immer mehr Menschen können anscheinend auch ohne Gott gut leben. Lebt die Mehrheit unserer Gesellschaft in der Praxis nicht ohne Gott, sogar auch viele getaufte Christen? Im Evangelium wird erzählt, dass eines Tages viele Jesus verließen. Daraufhin fragte Jesus seine Freunde: „Wollt auch ihr gehen?“
„Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Ein Aufruf gegen Resignation, gegen Müdigkeit und Zweifel. Verliert nicht die Hoffnung. Lasst euren Glauben nicht einschlummern! Bleibt munter! Bleibt wachsam! In der heutigen ersten Lesung wird uns an Abraham erinnert, der in aussichtslosen, hoffnungslosen Situationen an Gottes Versprechen, dass er für ihn da sein wird, festgehalten hat. Wie hat der Apostel Paulus es gesagt: „Glauben ist Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht.“ Vertrauen gegen den Augenschein?
„Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Bleib wachsam. Erwarte bewusst etwas von Gott, von Jesus. Rechne mit ihm, obwohl alles dagegen zu sprechen scheint. Pflege deine Beziehung zu Gott und zu Jesus, lass sie nicht abflauen. So lange wir das tun, brauchen wir uns nicht zu fürchten. Wir dürfen als Christen das nötige Selbstvertrauen haben. Wir haben eine sinnvolle Zukunft, denn: „Euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Und: „Freude ohne Ende ist euch gewiss.“
Da fallen mir die Worte des schweizerischen Priesters und Dichters Lothar Zenetti ein: „Ich kann nicht denken, dass die Welt, in der wir leben, das Produkt blinder Zufälle ist. Ich erkenne, dass es Gesetze und Strukturen gibt, Höherentwicklung und Zielstrebigkeit über die Jahrtausende hin. Einen tiefen Sinn in allem und ein Ziel, auf das alles zugeht. Ich will glauben, dass dieses Geheimnis aller Welt, das auch mich hervorbrachte, das mich birgt, ein Angesicht hat, dass es um mich weiß und mich liebt, dass ich nicht austauschbar bin, dass ich nicht verloren sein werde.“
Ich glaube an den Gott, von dem Jesus geredet hat. Ich will deswegen zu Jesus gehören, der mir einen Halt gibt, mir und auch anderen. Wir gehören zu seinem Volk, zu seiner Kirche. Auch wenn sie zu einer kleinen Herde wird, die aus schwachen, unvollkommenen Menschen besteht, die viele Fehler machen, und trotzdem auf ihn ihre Hoffnung setzen. Ich habe Vertrauen.